- Die EU läuft Gefahr, ihre Kryptobranche gegenüber den USA und Asien durch unangepasste Gesetze zu benachteiligen, da die Gesetzgebung viel zu langsam funktioniert.
- Die globalen Anforderungen beeinhalten Innovation und Agilität gegenüber starren Rahmenbedingungen und stellen traditionelle Denkweisen infrage.
Die Europäische Union sieht sich weiterhin mit wachsenden Bedenken hinsichtlich ihrer Position auf dem globalen Kryptomarkt konfrontiert, da die Vereinigten Staaten und Asien ihre Regulierungsauflagen schnell anpassen. Vermögensverwalter Franklin Templeton hat gewarnt, dass die EU Gefahr läuft, zur „Fly over Zone“ für Krypto-Unternehmen und Anleger zu werden, falls sie nicht Schritt hält.
Trotz der frühen Vorreiterrolle, die die EU mit ihrem Rahmenwerk Markets in Crypto Assets (MiCA) 2023 einnimmt, könnten Verzögerungen bei der Gesetzgebung und unflexible Regulierung dazu führen, dass Europa gegenüber Regionen mit flexibleren und anpassungsfähigeren Strategien an Boden verliert.
Mit der Einführung von MiCA wollte sich die EU jedoch als globaler Vorreiter etablieren, indem sie einen einheitlichen Rechtsrahmen für Krypto-Assets in ihren 27 Mitgliedsstaaten schuf. Diese umfassende Gesetzgebung sollte für regulatorische Klarheit und Anlegerschutz in einem schnell wachsenden Sektor sorgen. Catriona Kellas, International Legal Lead for Digital Projects bei Franklin Templeton, betonte jedoch, dass der anfängliche Schwung möglicherweise nachlässt.
In ihrer Rede auf der DigiAssets 2025-Konferenz stellte Kellas fest, dass sich die EU zwar nach wie vor in einer starken Position befinde, aber das Risiko wachse, zur „Fly over Zone“ zu werden, da sich die Regulierungsprozesse verlangsamen. Der Gesetzgebungsapparat der EU sei vergleichsweise träge und weniger flexibel als die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten und im asiatisch-pazifischen Raum.
Kellas verwies auf jüngste Anzeichen dafür, dass sich die Europäische Kommission zunehmend der Notwendigkeit bewusst wird, den Wettbewerbsvorteil der EU im Kryptobereich zu stärken. Zum ersten Mal bezog sich die Kommission in den Diskussionen über die Regulierung auf den Wettbewerb, ein Zeichen für eine Verschiebung der Prioritäten. Die Spekulationen über eine mögliche Aktualisierung von MiCA, die informell als MiCA 2 bezeichnet wird, nehmen zu. Das könnte den bestehenden Rahmen ändern oder erweitern, um ihn besser an globale Trends anzupassen.
Darüber hinaus wird das EU-Pilotprojekt zur Distributed Ledger Technology (DLT), das Kryptounternehmen eine kontrollierte Sandbox-Umgebung bieten soll, derzeit überprüft. Ziel des Pilotprojekts ist es, den Regulierungsbehörden die Möglichkeit zu geben, die Entwicklungen in der Branche genau zu beobachten und den Unternehmen gleichzeitig Raum für Innovationen zu geben. Die Regelung ist jedoch noch neu und muss verfeinert werden, um sicherzustellen, dass sie bei sich verändernden Marktbedingungen relevant bleibt.
Unterschiedliche Regulierungsumgebungen und Marktauswirkungen
Während Europa über regulatorische Aktualisierungen nachdenkt, profitiert der Kryptosektor in den USA von seinem freizügigeren Umfeld. Kellas beschrieb die „Energie“, die von den Vereinigten Staaten ausgehe, als einen positiven Einfluss, der die europäischen Märkte beleben könnte. Gleichzeitig ziehen asiatische Rechtsordnungen weiterhin Kryptogeschäfte an, da sie anpassungsfähigere regulatorische Rahmenbedingungen bieten, die Innovation und Investitionen fördern.
Diese Divergenz hat reale Marktauswirkungen. Führende Krypto-Börsen mit Sitz in den USA, darunter Coinbase und Gemini, bemühen sich aktiv um Lizenzen in strategischen EU-Ländern wie Luxemburg und Malta. Der Erhalt solcher Lizenzen würde ihnen im Rahmen des Passporting-Systems Zugang zum gesamten EU-Markt gewähren. Einige EU-Regulierungsbehörden sind jedoch besorgt über das Tempo der Lizenz- und Passporting-Genehmigungen, insbesondere im Hinblick auf die Herausforderungen bei der Überwachung von grenzüberschreitend tätigen Krypto-Asset-Service-Providern (CASPs).
Neue Regulierung und Probleme ihrer Durchsetzung
Kellas wies auch auf einen globalen Wandel in der regulatorischen Haltung gegenüber digitalen Vermögenswerten hin. Mit der zunehmenden Verankerung von Kryptowährungen in den Finanzsystemen wenden sich viele Regulierungsbehörden und Gesetzgeber von einer risikoaversen Politik ab. Dennoch stellen „weiche Regulierungsmethoden“, informelle Leitlinien, Ermessensspielraum der Aufsichtsbehörden und nicht verbindliche Empfehlungen eine besondere Herausforderung für die Durchsetzung und Einhaltung der Vorschriften dar.
Sie wies darauf hin, dass Regierungen und Regulierungsbehörden unter zunehmendem Druck der politischen Führung stehen, traditionelle Regulierungsrahmen zu überdenken. Gefragt sind Innovation und Agilität, anstatt lang veraltete, starre Ansätze.